Kölner Philharmonie

Budapest Festival Orchestra

Ivan Fischer
Foto: Akos Stiller
Ivan Fischer
Foto: Akos Stiller

Konzert - Hensel, Mendelssohn Bartholdy & Strauss

Renaud Capuçon, Violine
Iván Fischer, Dirigent


Fanny Hensel (1805–1847)
Morgengruß. Um heller Blumen Farbenring
aus: Weltliche a-cappella-Chöre von 1846
für gemischten Chor nach Texten von Freiherr Joseph von Eichendorff, Nikolaus Lenau, Emanuel Geibel, Johann Wolfgang von Goethe, Ludwig Uhland und Wilhelm Hensel

Fanny Hensel wurde als Fanny Mendelssohn 1805 in Hamburg geboren und zog 1811 mit der Familie nach Berlin. Im Gegensatz zu ihrem Bruder Felix blieb ihr die große musikalische Karriere allerdings versagt. Trotz ihres Talents sah ihr Vater ihre Zukunft bei Haushalt und Familie – ein zur damaligen Zeit herkömmliches Rollenverständnis. In privatem Rahmen wurde aber auch Fannys musikalischer Weg gefördert. 1821 begannen die regelmäßigen „Sonntagsmusiken“ im Hause Mendelssohn: Privatkonzerte für geladene Gäste der Berliner Gesellschaft, bei denen neben zahlreichen anderen auch Felix und Fanny auftraten und eigene Werke präsentierten. Nach Felix' Wegzug aus Berlin übernimmt Fanny die Leitung der „Sonntagsmusiken“. Dort trat sie nicht nur als Pianistin oder Komponistin in Erscheinung, sondern auch als Dirigentin – was für die damalige Zeit sehr ungewöhnlich war. Ihr Mann, der Maler Wilhelm Hensel, bestärkte sie beständig, zu komponieren und zu veröffentlichen, ebenso ihre Mutter. Felix hingegen übernahm nach dem Tod des Vaters die Rolle des Familienoberhaupts und auch dessen Sichtweise: Eine publizierende Schwester konnte er sich nicht vorstellen. Erst ein Jahr vor ihrem Tod traute sich Fanny, ihre Werke auch ohne die Zustimmung des Bruders zu veröffentlichen – und danach publizierte er dann doch weitere Stücke von ihr posthum.
Ob ihr nun das gleiche Genie wie ihrem Bruder innewohnte oder nicht – Fanny Hensel war zweifellos eine geborene Komponistin. Die etwa 460 Stücke, die sie in ihrem kurzen Leben hinterließ, legen nahe, dass das Komponieren eine nahezu tägliche Beschäftigung gewesen sein muss. Sie hat besonders viele Vokalwerke hinterlassen. Das hochromantische Stück „Morgengruß“ gehört zu den sogenannten „Gartenliedern“, in denen sie Texte von Eichendorff, Uhland, Geibel und ihrem Ehemann Wilhelm Hensel in Musik setzte, entstanden sämtlich zwischen Februar und Juli 1846. Der Titel der Sammlung bezieht sich auf die herrlichen Gärten und das Gartenhaus des Anwesens in der Leipzigerstraße in Berlin, wo sie freitagabends mit einem von ihr gegründeten Chor Proben abhielt. Das Autograph des Stückes „Morgengruß“ ist mit einem bunten Blumenbouquet verziert – und da das Manuskript auf den 6. Juli datiert ist, den Geburtstag ihres Mannes, handelt es sich vermutlich um ein Geschenk von Fanny an Wilhelm, von dem der Text stammt. Dieses und die anderen Chorwerke des Zyklus zählten dann schon bei den Zeitgenossen zu den beliebtesten Werken von Fanny Hensel. So ist etwa bekannt, dass Schumann die „Gartenlieder“ 1847 als Dirigent der Dresdner Liedertafel aufgeführt hat – und auch in Bonn erklangen sie im selben Jahr, im Poppelsdorfer Schloss unter der Leitung von Johanna Kinkel, einer Bonner Komponistin und Musiktheoretikerin. Letztere hatte in den 1830er-Jahren mehrmals sowohl als Zuhörerin als auch aktive Teilnehmerin an den „Sonntagsmusiken“ teilgenommen. Sie beschrieb Fanny Hensels musikalische Persönlichkeit und die Bedeutung ihrer musikalischen Gesellschaften in Berlin folgendermaßen: „Mehr als die größten Virtuosen und die schönsten Stimmen, die ich dort hörte, galt mir der Vortrag Fanny Hensels, und ganz besonders die Art, wie sie dirigierte. Es war ein Aufnehmen des Geistes der Komposition bis zur innersten Faser und das gewaltigste Ausströmen desselben in die Seelen der Sänger und Zuhörer. Ein Sforzando ihres kleinen Fingers fuhr uns wie ein elektrischer Schlag durch die Seele und riss uns ganz anders fort, als das hölzerne Klopfen eines Taktstocks auf dem Notenpulte es tun kann.“

Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847)
Konzert für Violine und Orchester e-Moll op. 64

Felix Mendelssohn Bartholdy entstammte wie seine Schwester Fanny jener reichen, kulturell interessierten und engagierten jüdischen Familie. Alles, was in Berlin oder als Besucher dieser Stadt Rang und Namen hatte, traf sich im Palais der Mendelssohns, wo die beliebten „Sonntagsmusiken“ stattfanden. Hier konnte der junge Felix mit ersten Werken experimentieren. Gleichwohl jedoch sollte er zunächst Bankier werden, allenfalls Jurist. Dennoch erhielt er die beste musikalische Ausbildung, u.a. bei Carl Friedrich Zelter. Und Mendelssohn war ein Wunderkind: Bereits der 16-Jährige war als Pianist, als Komponist und als Dirigent eine Berühmtheit. 1836 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Universität Leipzig, 1843 übernahm er am neu gegründeten Leipziger Konservatorium eine Kompositionsklasse. Besonderes Ansehen genoss er jedoch als Orchestererzieher und Organisator. Er betrieb als erster eine systematische Pflege alter Musik, setzte einen Pensionsfond für die Musiker des von ihm viele Jahre geleiteten Gewandhausorchesters durch und entdeckte und förderte junge Talente wie das Geigenwunder Joseph Joachim. Durch den plötzlichen Tod seiner Schwester Fanny erschüttert, starb er 1847 in Leipzig an den Folgen eines Gehirnschlags.
Mit dem Plan eines Konzerts für den befreundeten Ferdinand David, den Konzertmeister des Gewandhausorchesters, hat sich Mendelssohn lange getragen; so schrieb er in einem Brief vom 30. Juni 1838 an ihn: „Ich möchte dir wohl auch ein Violin Concert machen für den nächsten Winter; eins in e-moll steckt mir im Kopfe, dessen Anfang mir keine Ruhe lässt.“ Aber erst im Spätsommer 1844 sollte das Konzert fertig werden. Über Einzelheiten im Solopart gab es noch intensiven Austausch mit Ferdinand David, bis am 13. März 1845 in Abwesenheit Mendelssohns die Uraufführung stattfand, die ein großer Erfolg wurde. Bereits am 23. Oktober 1845 wurde es, diesmal mit Mendelssohn am Pult, erneut präsentiert. Drei Wochen später, am 10. November, kam es zu einer denkwürdigen Aufführung in Dresden: In einer von Robert Schumann organisierten und von Ferdinand Hiller geleiteten Konzertreihe sollte Schumanns Klavierkonzert aufgeführt werden, doch da Clara Schumann erkrankte und Ferdinand David unabkömmlich war, schickte dieser stattdessen einen damals 14-jährigen Konservatoriumsschüler, mit dem er das Violinkonzert einstudiert hatte, nach Dresden – und mit einer bravourösen, umjubelten Leistung legte der junge Joseph Joachim den Grundstein für seine spätere Karriere. Mendelssohns Werk gehört heute zu den bekanntesten und beliebtesten Violinkonzerten in der Konzertliteratur und erfreut sich aus diesem Grund einer ungeheuren Popularität.
Mendelssohn, dem man allzu oft klassizistisches Formdenken zum Vorwurf gemacht hat, erweist sich in dem Violinkonzert als ein Komponist, der schöpferisch mit der Tradition umzugehen konnte, und dessen formale Lösungen Überkommenes und Neues zu untrennbarer Einheit zu verschmelzen vermochte. Die traditionelle Dreisätzigkeit des klassischen Solokonzertes ist zugleich beibehalten und aufgehoben. Aufgehoben zum einen dadurch, dass alle drei Sätze (I. „Allegro molto appassionato“, II. „Andante“, III. „Allegretto non troppo“) nahtlos ineinander übergehen, zum anderen dadurch, dass der langsame Mittelsatz – an Ausdehnung und Eigencharakter eher bescheiden – so fast zur ausgeführten Überleitung zum Finale wird, wobei ein knapper Einschub nochmals zugleich trennend und verbindend wirkt. Schon nach wenigen Takten wird erkennbar, in welchem Maße das Werk in formaler Hinsicht von der klassischen Tradition abweicht. Wird bei Mozart und Beethoven zu Beginn das gesamte thematische Material des Kopfsatzes in der Exposition alleine vom Orchester vorgestellt, setzt in Opus 64 die Solovioline nach einem einzigen Einleitungstakt mit einem zugleich sanglichen und energiegeladenen Hauptthema ein, das ganz von romantisch-überschwänglichem Geist erfüllt ist. Revolutionär mochte einem formbewusst hörenden Publikum ein weiteres Novum vorkommen: Die auskomponierte, brillante und bis in die höchsten Lagen des Instrumentes führende Solokadenz, der Tradition gemäß am Ende des Satzes zu finden, ist an den Punkt zwischen Durchführung und Reprise verlegt worden und erscheint nicht primär als Mittel der violinistischen Selbstdarstellung, sondern als der Mittelpunkt des Satzes. Ein einziger Ton des Fagotts leitet vom „Allegro molto appassionato“, das mit einer glänzenden Stretta zu Ende gebracht wird, zum „Andante“ über, einem „Lied ohne Worte“. Den Tonfall des „Sommernachtstraums“ aus der Feder des Siebzehnjährigen schlägt das wieder unmittelbar folgende Rondo-Finale an. Titanias Elfen geistern durch eine anmutige, von Witz und Humor geprägte Musik, in der kleine Inseln des Lyrischen auftauchen, ehe sie effektvoll einem wirbelndem Schluss entgegeneilt.

Richard Strauss (1864-1949)
Josephs Legende op. 63 TrV 231
Ballett für Orchester. Handlung in einem Aufzug von Harry Graf Kessler und Hugo von Hofmannsthal

Der gebürtige Münchener Richard Strauss erhielt den ersten Musikunterricht von Kollegen seines Vaters, der als hochgeschätzter Hornist dem Hoforchester angehörte und später auch als Professor an der Musikakademie wirkte. Noch bevor seine Gymnasialzeit zu Ende gegangen war, wurde Strauss der Münchener Öffentlichkeit als hoffnungsvolles Kompositionstalent vorgestellt. In einem Konzert der Musikalischen Akademie dirigierte Hermann Levi die d-Moll-Sinfonie, die Strauss als Sechzehnjähriger komponiert hatte. Seine Karriere als Dirigent begann in Meiningen, wo er 1885 die Leitung der berühmten herzoglichen Kapelle übernahm. Die ersten nachhaltigen Erfolge als Komponist errang der junge Strauss mit seinen an Berlioz und Liszt anknüpfenden Sinfonischen Dichtungen. Nach den Reiseeindrücken „Aus Italien“ und „Macbeth“ nach Shakespeare schuf er 1888 mit dem „Don Juan“ sein erstes Meisterwerk. Die Verse von Nikolaus Lenau entsprachen dem Lebensgefühl des 24-jährigen Komponisten: „Hinaus und fort nach immer neuen Siegen, solang der Jugend Feuerpulse fliegen.“ Die ein Jahr später entstandene Tondichtung „Tod und Verklärung“ fand sogar den Beifall des Wiener Kritikerpapstes Hanslick. Um die Jahrhundertwende entstanden die ebenso umjubelten wie heftig umstrittenen Tondichtungen „Also sprach Zarathustra“, „Don Quixote“, „Ein Heldenleben“ sowie die „Sinfonia domestica“. Doch inzwischen hatte sich Strauss erneut der Oper zugewandt, die zum Zentrum seines späteren kompositorischen Schaffens wurde. Die Fülle der erfolgreichen Werke machte Strauss zum führenden Repräsentanten des Musiktheaters in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Er starb am 8. September 1949 in Garmisch-Partenkirchen.
Das Werk „Josephs Legende“ war die erste Ballettkomposition von Strauss und wurde 1914 für Sergei Djagilews Ballets Russes geschaffen. Basierend auf einem Libretto von Harry Graf Kessler und Hugo von Hofmannsthal erzählt das Werk die Geschichte des schönen Hirtenknaben Joseph im Palast des Potiphar. Beim Anblick Josephs versucht Potiphars Frau, den jungen Mann zu verführen und wird dabei von ihrem Gemahl überrascht. Um von ihrem Vergehen abzulenken, beschuldigt sie Joseph, die amourösen Avancen begonnen zu haben. Der daraufhin von Potiphar angeordneten Folter kann Joseph nur mit Hilfe einer höheren Macht entgehen. Strauss wählte für sein Ballett eine farbenreiche Musiksprache, bei der sich dramatisch-ruhige mit dionysisch-heiteren Passagen abwechseln: Das Werk ist ein pompöses Klanggemälde, mit dem Strauss nach eigener Auskunft anstrebte, „den Tanz [zu] erneuern“.
Das Stück besteht aus einer Folge von Szenen, die die Geschichte erzählen, wobei Strauss eine Vielzahl von musikalischen Motiven und Themen verwendet, um die Handlung und die Charaktere zum Leben zu erwecken. Besonders zeigt sich hier seine meisterhafte Beherrschung der Orchestrierungstechnik: Die reichhaltige Instrumentierung des Werkes, vier Posaunen, zwei Tuben, einschließlich Orgel, drei Klavieren, vier Harfen und einer Windmaschine, ermöglichte es ihm, eine breite Palette von Klangfarben zu nutzen, um die dramatischen und lyrischen Elemente der Handlung zu untermalen. Darüber hinaus offenbart das Stück die Fähigkeit von Strauss, komplexe musikalische Strukturen zu schaffen, die sowohl formal anspruchsvoll als auch emotional bewegend sind. Stilistisch ist das Werk eine Mixtur seiner Opern „Die Frau ohne Schatten“ und „Elektra“ mitsamt Anklängen aus dem „Rosenkavalier“. Mit seinem Riesenorchester erzeugt Strauss einen endlosen Farbreichtum in großen Entladungen und feinen kammermusikalischen Abschnitten. Und doch tönt dieses Ballett Werk sehr eigenständig und erschlägt den Zuhörer geradezu mit seinen Ideen. Strauss schrieb allein mit dem Schluss ein Finale, welches in gewaltigem Pomp und Glanz viele andere Orchesterwerke an Prunk übertrifft.

Heidi Rogge

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Letzte Aktualisierung: 27.10.2025 21:01 Uhr     © 2025 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn